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Vertragsmanagement und Konfliktmanagement im Maschinen- und Anlagenbau Newsletter Januar 2014

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Wenn ich die Kosten der Schiedsgerichtsbarkeit bedenke, müssten gerade kleinere Unternehmen großes Interesse haben, alternative Streitbeilegungsverfahren zu wählen.“
Dr. Anke Sessler, Chief Counsel Litigation, Siemens AG

Werte Leserschaft,

„das juristische Verfahren ist an der Lebenssituation der Beteiligten keinen Meter interessiert.“ Das musste die Hauptperson in der aktuellen Ausgabe des STREITHAHN am eigenen Leib spüren. Gerade hier spielt die Mediation als Alternative ihre Stärken aus. Die Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten stehen im Vordergrund. Das bringt Lösungen, nicht Urteile.

Ihr Oliver Dittmann

Überblick:

Vertragsmanagement:
» „No harm no fault“?
» Folgen fehlerhafter Schiedsklauseln

Konfliktmanagement:
» Sanierung 110 Mio. EUR günstiger!
» Neue ICC Mediations-Regeln

Kolumne „STREITHAHN“:
» Warten auf’s Urteil
» Nützliches aus dem Netz

» wichtiger Hinweis

„No harm no fault“?

„No harm no fault“ – unter diesem Schlagbegriff wird bei internationalen Liefer- und Anlagenverträgen gerne diskutiert, ob es rechtmäßig bzw. redlich sei, pauschalierten Verzugsschadensersatz („LDs“) zu verlangen, wenn dem Empfänger der Lieferung seinerseits durch die Verspätung gar kein Schaden entstanden ist. Eine ähnliche Frage hatte der Bundesgerichtshof in einem Streit zwischen einem Generalunternehmer und dessen Nachunternehmer in der Bauindustrie zu entscheiden.

Die Gewährleistungsansprüche aus dem Werkvertrag zwischen dem Generalunternehmer und den Bestellern der Häuser waren verjährt, die aus dem Werkvertrag zwischen dem Generalunternehmer und dem Nachunternehmer jedoch nicht. Der Generalunternehmer verweigerte Restzahlungen an den (inzwischen insolventen) Nachunternehmer auf Grund von vorhandenen Mängeln. Der Insolvenzverwalter des Nachunternehmers verklagte  den Generalunternehmer auf Zahlung, da ja die Besteller die Mängelrechte ohnehin nicht mehr einfordern könnten (Verjährung). Der Bundesgerichtshof bestätigte die Auffassung des Oberlandesgerichtes Naumburg, wonach der Generalunternehmer zurecht die Zahlungsleistung zurück hält und erst Zug um Zug gegen Beseitigung der Mängel zahlen muss. Das Interesse des Generalunternehmers an der Vertragserfüllung bleibt demnach schützenswert, auch wenn die Besteller Ihre Mängelrechte nicht mehr durchsetzen können.

Anders würde sich der Fall nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darstellen, wenn der Generalunternehmer den Nachunternehmer auf Zahlung von Schadensersatz wegen der Mängel in Anspruch nehmen wollte. Dem Generalunternehmer entsteht ja kein Schaden. Dann würde der Rechtsgedanke der Vorteilsausgleichung greifen und der Generalunternehmer würde leer ausgehen. Er soll sich nicht bereichern können.

Im entschiedenen Fall jedoch profitiert nicht der Generalunternehmer von der Mängelbeseitigung, sondern die Besteller. So fließen dem Generalunternehmer keine ungerechtfertigten Vorteile zu.

Würdigung: Der angewandte Grundsatz des Bundesgerichtshofes scheint gerecht, wenn der Generalunternehmer zum Beispiel darauf bedacht ist, seine Reputation auf dem Markt zu wahren.

Im konkreten Fall könnte aber praktisch doch eine Bereicherung des Generalunternehmers vorliegen. Wenn der Generalunternehmer absehen kann, dass der Nachunternehmer auf Grund der Insolvenz zur Beseitigung der Mängel wirtschaftlich nicht mehr in der Lage sein wird, spart er sich die Zahlung des restlichen Werklohns.

Noch eine Stufe weiter könnte man dies treiben: der Generalunternehmer könnte sogar durch Einbehalt der Restzahlung die Insolvenz des Nachunternehmers herbeigeführt haben, um letztlich die Restzahlung zu vermeiden.

Lehre: Gilt nun im deutschen Recht der Grundsatz „no harm no fault“? Wohlgemerkt, in der eingangs beschriebenen häufig geführten Diskussion über pauschalierten Schadensersatz kommt ein weiterer Umstand hinzu, der die Vergleichbarkeit einschränkt. Die Parteien haben sich vertraglich auf die Zahlung einer Pauschale als angemessene Entschädigung, zum Beispiel für Verzug, geeinigt. Somit haben sie gerade auf die Ermittlung eines tatsächlichen Schadens verzichten wollen. Auf diese Konstellation lässt sich die Entscheidung daher nicht ohne weiteres anwenden.

Dennoch ist die Kenntnis dieser Entscheidung wertvoll, zeigt sie doch klar das Grundprinzip, das Bereicherungen verhindern soll. Und als Argumentationshilfe taugt dieser allemal.

Zum tiefer lesen: NJW 52/2013, 3765f

Folgen fehlerhafter Schiedsklauseln

Was passiert, wenn eine Schiedsklausel fehlerhaft ist? Stellen Sie sich vor, sie investieren viel Zeit und Geld, um in einem Schiedsverfahren einen wichtigen Zahlungsanspruch durchzusetzen. Gleichzeitig plagen Sie Zweifel, ob Ihnen der Schiedsspruch am Ende überhaupt etwas bringen wird, weil in der Schiedsklausel zum Beispiel eine Schiedsgerichtsorganisation benannt wurde, die es gar nicht gibt.

Das kommt nicht vor, meinen Sie? Doch! Obwohl die wichtigen Schiedsgerichtsorganisationen Standardschiedsklauseln zur Verfügung stellen (eine nützliche Übersicht und die passenden Links finden Sie hier: Standardklausel zur Konfliktlösung) werden immer wieder abenteuerliche Schiedsklauseln verwendet, die Unklarheit bringen.

So vereinbarten zum Beispiel eine deutsche und eine finnische Firma in ihrem Vertrag, dass alle Streitigkeiten nach den „arbitration rules of the German Chamber of Commerce“ zu entscheiden seien. Dumm nur: eine deutsche Industrie- und Handelskammer gibt es nicht. Nun kann man stattdessen unterstellen der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sei gemeint gewesen. Leider stellt dieser keine Schiedsregeln zur Verfügung. Eine der Streitparteien vertrat, wegen des internationalen Sachverhalts sei nun die Schiedsgerichtsbarkeit bei den Deutschen Außenhandelskammern anwendbar. Die andere meinte, die Regeln der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) kämen zur Anwendung, weil der Deutsche Industrie- und Handelskammertag diese Regeln ausdrücklich und maßgeblich mitträgt. Das Berliner Kammergericht (entspricht einem Oberlandesgericht) hatte zu entscheiden und folgte letzterer Meinung.

In einem anderen Fall einigten sich die Vertragsparteien darauf, dass Streitigkeiten von einem „Schiedsgericht nach Maßgabe des diesem Vertrag beigefügten Schiedsvertrags“ zu entscheiden seien. Leider hat wohl niemand daran gedacht, einen solchen Schiedsvertrag tatsächlich zu erstellen und dem Vertrag beizufügen.
Hier hatte das Oberlandesgericht Dresden zu entscheiden. Die Richter sahen es als klar an, dass ein Schiedsgericht gewollt war und hielten die Klausel für gültig und ein Schiedsgericht für vereinbart.

Lehre: Für die deutschen Gerichte müsste offenbar einiges zusammen kommen, damit sie eine Schiedsklausel als ungültig verwerfen würden. Notfalls kommt eben ein ad-hoc Schiedsgericht nach den Regeln der Zivilprozessordnung zum Einsatz.

Das darf aber keineswegs zur Unachtsamkeit bei der Vereinbarung von Schiedsklauseln führen. Der grundsätzliche Bestand der Schiedsvereinbarung mildert die eingangs beschriebene Rechtsunsicherheit kaum. Über den Inhalt der Klausel und damit über die Ausgestaltung des Verfahrens kann man sich immer noch trefflich streiten. Und eines dürfte dem Willen der Parteien bei Vertragsschluss keinesfalls entsprechen: sich vor einem öffentlichen Gericht über Bestand und Inhalt der Schiedsklausel auseinander setzen zu müssen. Dazu kommt noch die Unsicherheit, ob ein ausländisches Gericht genauso entscheiden würde wie das deutsche Oberlandesgericht. Spätestens beim Versuch, einen errungenen Schiedsspruch im Ausland zu vollstrecken, könnte dort eine erneute Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Schiedsverfahrens beginnen.

Schiedsgerichte werden vor allem dazu vereinbart, in einem vertraulichen Verfahren und in einer einzigen Instanz einen international vollstreckbaren Titel zu erlangen. Eine fehlerhafte Schiedsklausel beraubt Sie im Wesentlichen dieser Vorteile gegenüber öffentlichen Gerichten!

110 Millionen Euro günstiger – Sanierung des Berliner Landwehrkanals

Die Vertraulichkeit der Mediation bringt es mit sich, dass konkrete Beispiele selten veröffentlicht werden. Anders ist das bei Mediationen zu öffentlichen Großprojekten. Auch wenn Aufwand und Dauer solcher Mediationen nicht als Maßstäbe für normale Wirtschaftsmediationen herangezogen werden dürfen, lässt sich doch die segensreiche Wirkung der Methode nachvollziehen.

Eine aktuelle Erfolgsgeschichte ist die Mediation um den Berliner Landwehrkanal. Ausgangslage: die behördliche Ankündigung, zur Sanierung und Entlastung der Uferanlagen 200 Bäume zu fällen, löste eine Protestbewegung aus. Es wurden unter anderem 26.000 Unterschriften gesammelt und Bäume durch angekettete Aktivisten besetzt gehalten. Daraufhin wurde ein Mediationsverfahren eingeleitet, das im Dezember 2013 offiziell für beendet erklärt wurde und von den Beteiligten als Erfolg bezeichnet wird.

Im Folgenden die Erfolge des Verfahrens:

  • Die veranschlagten Kosten für die Sanierung belaufen sich nur noch auf 70 Mio. EUR, vor der Mediation waren noch 180 Mio. EUR veranschlagt
  • Die Bäume werden nicht gefällt, da sie nicht mehr als Belastung, sondern als Sicherungsmittel der Uferanlagen angesehen werden
  • Das Wasser- und Schifffahrtsamt erkennt an, viel bei dem Verfahren gelernt zu haben
  • Die Behörde freut sich über die weitere Bürgerbeteiligung bei dem Projekt

Würdigung: Dieses Ergebnis überzeugt. Nicht nur, dass alle Beteiligten ihre Interessen gewahrt sehen und schwere Verwerfungen – wie bei Stuttgart 21 – vermieden wurden. Darüber hinaus konnten die voraussichtlichen Kosten der Maßnahme auf nicht einmal 40% gesenkt werden. Das bestätigt aus meiner Sicht vor allem eines: Die Weisheit der Vielen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wenn man es versteht, diese effektiv einzubinden, sollte man sich auf positive Überraschungen gefasst machen. Die Mediation hat sich am Berliner Landwehrkanal ein weiteres Mal als Mittel hierfür empfohlen.

Zum tiefer lesen:  Mediation beendet – und alle sind zufrieden

Terminhinweis: Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) ist gerade dabei, die neue Richtlinie 7000 „Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung bei Industrie- und Infrastrukturprojekten“ zu erarbeiten. Am 23. Januar 2014 findet dazu in Berlin ein Expertenforum statt, an dem ich teilnehmen werde. Bis Ende März läuft die Frist, in der Jedermann Eingaben zum Richtlinienentwurf machen kann.

Neue ICC Mediations-Regeln

Seit 01. Januar 2014 gelten die neuen Mediations-Regeln der Internationalen Handelskammer (ICC). Die ICC Mediations-Regeln wurden speziell für komplexe, internationale Streitigkeiten entwickelt und lösen die seit 2001 geltenden „ICC ADR-Regeln“ (ADR = Alternative Dispute Resolution) ab. Unter diesen Regeln wurden alle von der ICC administrierten Verfahren alternativer Konfliktlösungsmethoden behandelt, außer Schiedsgerichtsverfahren.

Seit 2001 wurden ADR-Verfahren mit Parteien aus über 70 Ländern abgewickelt. Obwohl die abgelösten „ICC ADR Regeln“ bei der Methodenauswahl offen waren und nicht einer Methode den Vorzug gaben, waren in der Praxis 90 Prozent der durchgeführten Verfahren Mediationen. Daher wurde die Mediation in den neuen Regeln zur Standardmethode aufgewertet.

„Immer mehr Unternehmen entscheiden sich in einem ersten Schritt für ein Mediationsverfahren, denn die Erfolgsquote ist hoch. Bei der ICC erreichen die Parteien jährlich in rund 75 Prozent der Fälle eine Einigung. Weiterer Vorteil: Gütliche Streitbelegungsverfahren sparen Zeit und Geld. Eine Einigung nach ICC-Regeln erfolgt durchschnittlich innerhalb von nur vier Monaten.“

80 Prozent der Verfahren hatten Beteiligte verschiedener Nationalitäten, oftmals waren mehr als zwei Parteien beteiligt. Ein weiteres Detail aus der Statistik: die Erfolgsquote von 75 Prozent wird noch vom Wert der Zufriedenheit übertroffen. 90 Prozent der Beteiligten gaben an, dass sie den Prozess gut fänden und sie ihn erneut nutzen würden.

Die neuen Regeln liegen bereits in acht Sprachen vor, darunter Deutsch. Weitere Sprachen sollen folgen.

Zum tiefer lesen:   Artikel     Regeln und Videointerview

Kolumne STREITHAHN:
Warten auf’s Urteil

Das gibt es auch in Deutschland: jahrelange Prozesse ohne Ausgang. Am Langener Amtsgericht versucht eine Frau seit 2008, sich von ihrem Gatten scheiden zu lassen. Zwölf Gerichtstermine waren in dem Zeitraum anberaumt worden, wovon sieben ausfielen. Offenbar verfolgt ihr Mann eine Verzögerungstaktik und ist mit dieser beim Amtsgericht Langen erfolgreich. Die Betroffene resümiert: „Das juristische Verfahren ist an der Lebenssituation der Beteiligten keinen Meter interessiert. Was bitteschön ist, wenn das so bitter bei Menschen läuft, die auf eine vergleichsweise schnelle Urteilsfindung angewiesen sind, um vielleicht nicht die Wohnung zu verlieren oder schlimmstenfalls in Hartz IV abzurutschen?“
Ja, was ist dann eigentlich? Zugegeben: kooperative Streitbeilegungsmethoden setzen den Einigungswillen der Parteien voraus und würden hier vermutlich erstrecht ins Leere laufen. Wenn aber die zwangsmittelbewehrte staatliche Justiz in solchen Fällen nicht greift, in denen Rechtssuchende auf diese Zwangsmittel angewiesen wären, wo liegen dann eigentlich ihre Vorteile?

Zum tiefer lesen: Artikel

Nützliches aus dem Netz

Interessantes aus dem Maschinen- und Anlagenbau

Bei meinen Recherchen im Netz finde ich regelmäßig Interessantes zu Themen des Maschinenbaus und Anlagenbaus, die thematisch außerhalb meines Newsletters liegen. Da die meisten von Ihnen, werte Leser, aus dieser oder verwandten Branchen kommen, stelle ich in dieser Rubrik unkommentierte Verknüpfungen zu den Seiten zur Verfügung:

 

Maschinenbauer kritisieren Unklarheiten bei der EEG-Reform

Maschinenbauer müssen neuartige Dienstleistungen entwickeln

VDMA: Orderzuwachs macht Hoffnung

Maschinenbauindustrie: Großes Potenzial im Dienstleistungsgeschäft

Energiewende: De-Industrialisierung Deutschlands hat begonnen

 

 

Die in diesem Newsletter bereitgestellten Inhalte stellen keine Rechtsberatung dar, sondern dienen ausschließlich Ihrer Information. Für die Klärung Ihrer konkreten Rechtsfragen wird eine fallbezogene Beratung empfohlen. Oliver Dittmann Mediation & Training übernimmt für die Vollständigkeit, Aktualität und Richtigkeit der Inhalte keine Haftung.